Klausur-Nr. 1953 - Strafrecht


Juristisches Repetitorium hemmer

Übungsklausur für die Erste Juristische Staatsprüfung

Sachverhalt Klausur 1953

Diese Aufgabe umfasst 3 Seiten

Bearbeitungszeit: 5 Stunden

Teil I

Axel und Frank beschließen, den Gastwirt René um seine Tageseinnahmen zu bringen. Mit ihrem dunkelhäutigen Freund Mike fassen sie folgenden Plan: Mike soll kurz vor der Sperrstunde die Gaststätte betreten, woraufhin die bereits anwesenden Axel und Frank ihn so lange mit rassistischen Schmähungen überhäufen wollen, bis der als ausländerfeindlich bekannte René in die Schimpfkanonaden einsteigen und auf diese Weise abgelenkt würde, sodass Axel ungestört auf die Tageskasse zugreifen und sich mit dieser entfernen könne. Mike soll sich die Beleidigungen widerstandslos bieten lassen, da eine körperliche Auseinandersetzung auf jeden Fall vermieden werden soll.
Als Mike zum vereinbarten Zeitpunkt die Kneipe betritt, beklagen Axel und Frank „die zu Schmarotzertum einladende Ausländerpolitik“ und beschimpfen Mike als „nichtsnutzigen Asylbetrüger“. Dadurch sieht sich René veranlasst, nun seinerseits Mike zu provozieren. Er bezeichnet ihn zunächst als „stinkenden Nigger“ und lässt im weiteren Verlauf eine längere Schimpfkanonade ab. Um dieser Schimpfkanonade Einhalt zu gebieten, zieht Mike, der sich nicht mehr beherrschen kann, entgegen der Vereinbarung mit Axel und Frank ein Messer und sticht René in den Bauchbereich. Trotz dieser nicht eingeplanten Wendung der Dinge nimmt Axel kurz darauf die Tageseinnahmen an sich.
Die drei Freunde erkennen, dass der bewusstlose René lebensgefährlich verletzt ist und dringend Hilfe benötigt. Sie beraten daher kurz, ob sie einen Notarzt verständigen oder sonstige Hilfe holen sollen.

Axel und Frank raten hiervon entschieden ab, da ansonsten auch die Polizei bald hier sei und dies für Mike nur schlecht ausgehen könne.
Auch Mike, der selbst erschrocken über die Wirkung seiner in dieser Konsequenz nicht beabsichtigten Verteidigung ist, erklärt sich aus Angst vor der Polizei sofort bereit, auf das Holen von Hilfe zu verzichten. Axel, Frank und Mike verlassen daher die Kneipe, teilen die Tageseinnahmen untereinander auf und treten jeder für sich den Heimweg an. René, der kurze Zeit später von seiner Frau gefunden wird, wird im Krankenhaus sofort operiert und befindet sich nach zwei Tagen außer Lebensgefahr.


Teil II
Auch René sind Konflikte mit der Polizei nicht unbekannt, insbesondere ist er bereits einige Male mit Alkohol am Steuer erwischt worden, was zur Folge hatte, dass ihm bereits einmal die Fahrerlaubnis entzogen worden war. Am 04.04. gerät er wieder alkoholisiert am Steuer in eine allgemeine Verkehrskontrolle der Polizei. Am 08.04. wird er im Beisein seines Verteidigers von dem zuständigen Staatsanwalt vernommen. In diesem Rahmen legt der einschlägig vorbestrafte René ein umfassendes Geständnis ab, was den Staatsanwalt dazu veranlasst, zur Ersparung einer Hauptverhandlung einen Strafbefehl in Aussicht zu stellen, mit dem eine Freiheitsstrafe von vier Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung und eine Zahlungsauflage von 1.000 Euro festgesetzt werden sollen.

In seiner Schlussverfügung vom 11.04. ordnet der Staatsanwalt daraufhin „Strafbefehlsantrag mit Bewährungsbeschluss ... nach Entwurf“ an, wobei die beantragten Rechtsfolgen der Ankündigung entsprechen.

In der Schreibkanzlei der Staatsanwaltschaft kommt es sodann zu einer Verwechslung: Infolge eines Versehens fertigt die Schreibkraft nicht den verfügten und dem Staatsanwalt wieder vorzulegenden Strafbefehlsantrag aus, sondern unter Verwendung eines entsprechenden Textbausteins oder Formulars ein Angebot an René zur Verfahrenseinstellung nach § 153a I StPO gegen eine - der beabsichtigten Bewährungsauflage entsprechende - Zahlungsauflage von 1.000 Euro.
Ein entsprechendes, wegen der automatisierten Textverarbeitung dem Staatsanwalt nicht mehr vorgelegtes und daher auch keine Unterschrift tragendes Schreiben vom 12.04. (mit dem Hinweis: „Diese Mitteilung wurde elektronisch erstellt und trägt daher keine Unterschrift, wofür um Verständnis gebeten wird.“) geht dem René am 13.04. zu. Am 15.04. erklärt er schriftlich sein Einverständnis und überweist den angebotenen Betrag an die begünstigte Einrichtung, wo dieser am 16.04. eingeht. Am gleichen Tag geht auch bei der Staatsanwaltschaft die Einverständniserklärung ein, wodurch das Versehen offenbar wird.
Der Staatsanwalt unterrichtet daraufhin René von der Verwechslung und beantragt beim zuständigen Amtsgericht den angekündigten Strafbefehl. René ist empört, weil er meint, es bestehe ein Verfahrenshindernis und durch das ihm zugegangene Schreiben sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, über den sich Staatsanwaltschaft und Gericht nun nicht mehr hinwegsetzen dürften.



Vermerk für die Bearbeitung Teil I:
Prüfen Sie die Strafbarkeit der Beteiligten nach dem StGB. Es ist zu unterstellen, dass erforderliche Strafanträge gestellt wurden.

Vermerk für die Bearbeitung Teil II:
Wird der Richter am Amtsgericht den beantragten Strafbefehl erlassen?


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